Chronik
1923 bis 1929
Aus der Erkenntnis heraus, dass für das kirchliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben der Gemeinde im musikalischen Bereich noch etwas fehlte, entstand die Musikvereinigung Neckarhausen.
Gründer Heinrich Betzwieser 1923
Das Gründungsensemble 1926. Der zum Zeitpunkt der Aufnahme zwischenzeitlich verstorbene Dirigent und Gründer Heinrich Betzwieser wurde in diese Aufnahme einretuschiert.
Die Gründungsjahre
1923 ist das Gründungsjahr der Musikvereinigung
Heinrich Betzwieser war Organist in der katholischen Kirche, war Dirigent des Kirchenchors und vom Gesangverein Germania. Von Beruf war er Eisenbahner.
Heinrich Betzwieser war auch zuständig für die Organisation des Fronleichnam-Umzuges mit seinem Kirchenchor. Eines der wichtigsten Ereignisse zu dieser Zeit nicht nur in Neckarhausen.
Sowohl Heinrich Betzwieser, als auch Pfarrer Otto Honickel, hörten von den Eisenbahnerkollegen oder den Amtskollegen, in Hockenheim, Plankstadt oder Schwetzingen, was in diesen Gemeinden ablief. Wie herrlich es doch klang, wenn Trompeten und Posaunen das Wort Gottes durch die Straßen ihrer Gemeinde trugen.
1923 dürften sich Pfarrer Honickel und Betzwieser sicher mehrere Male getroffen haben. Das wollen wir in Neckarhausen auch haben! Einige Männer für die Musik zu begeistern war in dem bäuerlich geprägten 2.300 Seelendorf Neckarhausen das kleinere Problem, viel schwieriger war die Beschaffung von Instrumenten und von Noten. Mit viel Mut und noch mehr Gottvertrauen entschieden sich Heinrich Betzwieser und Pfarrer Honickel eine Blaskapelle zu gründen. Ab August begannen die Proben in der Wohnung des Dirigenten (Heute ist darin die Schlossapotheke)
Die 12 Gründer waren:
- Heinrich Betzwieser 1877-1925 war 45 Jahre alt - Dirigent und Trompeter
- Sohn Ludwig Betzwieser 1906-1989 war 16 Jahre alt, er spielte Posaune und Klavier, später auch Klarinette
- der Freund Eduard Stahl um 1884-1952 war ca. 39 und Militärmusiker in Karlsruhe
- Sohn Georg Stahl 1909-2006 war 14, er spielte Trommel und später Tenorhorn
- der Schwager Joseph Fleck um 1875-1938 war 48, er spielte Tuba und war Interimsvorsitzender
- Karl Kreter um 1901-1970 von Ladenburg war 22 und spielte Tenorhorn, er war nach dem Krieg der Gründer vom Posaunenchor in Ladenburg
- Karl Krauß um 1901-1970 war 22 er spielte Tenorhorn, über Sohn Willi und Urenkelin Helen durchgehend im Verein aktiv
- Valentin Siebig 1904-1977 war 19, er spielte Tenorhorn
- Johann Siebig um 1900, er spielte Tenorhorn
- Franz Schreckenberger, er spielte Trompete
- Karl Hauck 1907-1965 war 16, er spielte Posaune
- Jakob Schlegel, um 1890 er spielte Tenorhorn
Die 1. Probe erfolgte am 1. August 1923 beim Gründer, es folgtenregelmäßige Proben. Durch eifriges Üben war es möglich, sich bereits am „Weißen Sonntag“ am 16. April 1924 der Öffentlichkeit vorzustellen.
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Gründer Heinrich Betzwieser
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Eduard Stahl
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Joseph Flick
Die neuen Postgebühren von 1923
1923 - das Jahr der galoppierenden Inflation
Die Beschaffung von Instrumenten und Noten ab Mitte 1923
Mitte September 1923 kostete ein Brief 100 Mark, am 11. November 1923 bereits 5 Milliarden.
Mitte September 1923 kostete ein Brot 1,5 Millionen, am 11. November 1923 bereits 200 Milliarden.
Wegen der galoppierenden Hyperinflation wurde die Überfahrt mit der Fähre nach Ladenburg an das jeweilige Briefporto gekoppelt. Ab 1. Dezember 1923 kosteten ein Brief und die Fährüberfahrt nur noch 5 Rentenpfennige.
Mit der alten Papiermark konnten demnach keine Instrumente beschafft werden. Wie kam man dann zu Instrumenten? Auf dem Gründerbild vom September 1926 waren es bereit 16 Musiker, alle mit Instrumenten. Wie es wirklich gelaufen ist, wusste der damals 14-jährige Gründer Georg Stahl 70 Jahre später nicht mehr. Sein Vater Eduart brachte von Karlsruhe zumindest die erste Trommel mit. Ob er zu weiteren Instrumenten verhalf? Sind etwa bereits fertige Musiker mit Instrumenten dazu gestoßen, wie etwa Karl Kreter und später sein Bruder Heinrich aus Ladenburg? 1925 und 1926 wurden laut Kassenbuch mit einem Vereinszuschuss folgende Instrumente gekauft: das Tenorhorn von Karl Krauß, die Posaune für Ludwig Betzwieser, eine Feldmann Tuba für Fritz Fleck sowie eine Trompete. Genaueres lässt sich heute leider nicht mehr in Erfahrung bringen.
Grabstein von Heinrich Betzwieser und seiner Frau Anna Betzwieser (geb. Fleck)
1923 - September 1925
Die ersten Auftritt noch mit dem Gründer
- 16.04.1924: Weißer Sonntag, es war der erste öffentliche Auftritt der Kapelle
- 06.06.1924: Fronleichnam, Heinrich Betzwieser konnte nur noch mitlaufen
- 30.01.1925: Abendmusik, das erste Konzert im Saal des jahrelangen Probelokals
- 22.03.1925: Sommertagszug in Neckarhausen (Bericht in der Ladenburger Zeitung)
- 1925 folgten noch weitere 12 Auftritte bei anderen Vereinen in Neckarhausen und in Ladenburg
Am 17. Juni 1925 verstarb unerwartet der Gründer und Dirigent Heinrich Betzwieser im Alter von nur 47 Jahren. Sein 18-jähriger Sohn Ludwig Betzwieser übernahm das Dirigentenamt und führte die Aufgabe im Sinne seines Vaters fort.
Der Fronleichnamumzug wurde am 4. August 1925 nachgeholt. Da seine Frau Anna geb. Fleck ihn um Jahrzehnte überlebte stand der Grabstein bis 1999 auf dem Friedhof. Interessant ist noch: Im Kassenbuch stehen von April bis Juni 1926 drei Raten für den Grabstein von 557 Reichsmark. Für ein Ruhebett 70 Mark sowie die Gebühren für den Krankenwagen. Alle Kosten übernahm die noch junge Musikvereinigung.
Am 13. Juli 1925 gab es ein Großereignis in Neckarhausen. Die Freiwillige Feuerwehr feierte 3 Tage lang ihr 25-jähriges Jubiläum, bei dem die Musikvereinigung mehrmals in Feuerwehruniform auftrat.
Die Festdame links ist Theresia Kern, 50 Jahre Wirtin unseres Stammlokals Neckartal. Die nächste Festdame links dahinter mit Schärpe ist die spätere Frau von Georg Stahl. Das Gasthaus zum Kranz war von 1924 an viele Jahre das Probelokal und der Veranstaltungssaal der Musikvereinigung.
Oktober 1925 - 1929
Im Oktober 1925 wurde ein Bild mit bereits 16 Musikern aufgenommen. Ein Bild des Gründers wurde vom Photograf Menzel für 64 RM hineinretuschiert. Es ist damit das offizielle Gründerbild.
Hintere Reihe: Karl Kreter, Franz Schreckenberger
Mittlere Reihe: Willi Schmich, Valentin Siebig, Wilhelm Huber, Gustav Jacoby
Vordere Reihe: Josef Fleck, Karl Krauß, Ludwig Betzwieser, Alois Stahl, Karl Hauck, Georg Stahl
Die Musiker der Musikvereinigung waren in den Vorkriegsjahren sehr aktiv! Nach den alten Kassenbüchern und Zeitungsberichten gab es von 1925 bis 1937 ein Vielfaches an Auftritten (16-31) im Jahr, beispielsweise:
- 12 Auftritte beim Kriegerverein Ladenburg 12
- 9 Auftritte bei der Viktoria Neckarhausen
- 6 Auftritte bei der Germania
- 3 Auftritte bei der MGV
- 4 Auftritte bei der Feuerwehr
- 4 Auftritte beim Turnverein
- 8 Auftritte beim Eisenbahnerverein Friedrichsfeld
- 4 Auftritte beim Artelleriebund Ladenburg
- 5 Auftritte beim Reichsbanner Neckarhausen
- sowie 7 Auftritte bei der Sängereinheit Ladenburg
Die Kapelle 1928. Mit auf dem Bild sind zwei Geiger des Salonorchesters.
1928 Ausflug an den Bodensee, jeweils ohne Georg Stahl.
1928 - 1929
Zu den vielen Auftritten in Forst, St. Ilgen und den Nachbargemeinden hat der „Ladeberger Judd, so Georg Stahl“ die Musiker mit seinem Lastwagen, mit Plane und Stühlen zu den Veranstaltungen gefahren. Es war das in der Hauptstrasse ansässige Kaufhaus Gebr. Kaufmann, für Möbel und Manufaktur.
1928 wurde je ein Ausflug zum Kloster Maulbronn sowie ein mehrtägiger Ausflug zum Bodensee gemacht. In späteren Jahren wurde je eine Schifffahrt nach Eberbach und nach Rüdesheim unternommen.
1928 hatten sechs Musiker die Zeichen der Zeit erkannt und gründeten das Salonorchester mit Ludwig Betzwieser am Klavier und Georg Stahl als Schlagzeuger. Ausser weiteren Musiker der MVN gehörten 2 Geiger dazu. Bei zahlreichen Auftritten wurde Tanzmusik bis in den Morgen gespielt.
1933 feierte das Salonorchester im Badischen Hof in Ladenburg sein 10-jähriges Jubiläum. Eigentlich ist es die fast identische Besetzung wie bei der Musikvereinigung. Laut Aussage von Georg Stahl hatten das Salonorchester sehr viele gut bezahlte Auftritte. Leider standen diese Auftritte bis auf das 10 jährige nicht in der Presse.
1929 feierte der Männergesangverein sein 70. Jubiläum mit einem Festumzug und Unterhaltungsmusik im Festzelt.
Im Jahr 1929 nahm man erstmals an einem Musikerwettstreit in Forst teil. Die noch junge Kapelle erreichte auf Anhieb den 1. Preis in ihrer Klasse, die Tagesbestleistung und den Dirigentenpreis. Dies war ein großer Tag für die Musikvereinigung Neckarhausen. Die stetige Aufwärtsentwicklung wurde jedoch durch die Kriegsereignisse jäh unterbrochen.
Urkunde vom 9.6.1929 - 1. Preis, Tagesbestleistung und Ehrenpreis